Saturday, 14 June 2008
Wierusz-Kowalski, Wolf, um 1885
Alfred Wierusz-Kowalski
Wolf, um 1885.
Öl auf Pappe, 30 x 68 cm
Muzeum Okregowe w Suwalkach (Bezirksmuseum Suwalki)
Ausgestellt im Rahmen der Ausstellung "200 Jahre Kunstakademie München", Haus der Kunst München.
Ein eher kleines Gemälde, keineswegs lebensgroß, aber unglaublich faszinierend.
Da sieht man auf weiter, öder, winterlich wirkender Fläche einen Wolf stehen, den Kopf in Richtung des Betrachters gedreht. Keineswegs aggressiv in seiner Pose; er fletscht nichtmal die Zähne oder sabbert angesichts möglicher Beute. Wierusz-Kowalskis Wolf wartet einfach nur. Und dennoch geht von dem Bild eine seltsam beunruhigende Stimmung aus.
Dies liegt an den Augen des Tieres, jenen zwei hellen, fast zitrus-farbenen gelben Punkten, die vor dem bläulich-grauen Hintergrund der kargen Landschaft und im Kontrast zum struppig dunklen Fell des Wolfes eine bezeichnende Leuchtkraft entwickeln. Die Augen des Wolfes fixieren den Betrachter, blicken auf ihn, und der Betrachter blickt zurück, ganz automatisch. So bilden Mensch und Tier über die Grenzen Realität/Bildfiktion hinweg Blickkontakt. Es ist ein gegenseitiges Warten auf die Reaktion des Anderen, die freilich im Endeffekt immer nur vom Betrachter ausgehen wird, der sich irgendwann abwendet und weiterwandert.
Der Wolf blickt und wartet weiter, zeitlos, eingefroeren, so dass beim Betrachten des Bildes, vielleicht auch durch die endzeitlich-karge Landschaft und den intensiven Blick des Wolfes Assoziationen an die Gruselliteratur nicht fern bleiben. Ende des 19. Jahrhunderts ist der Werwolf längst beliebte Schauergeschichte. In Märchen und Sagen hat der Wolf einen festen Platz, bedeutet zumeist große Gefahr für den Helden. Und dieses Wissen um die Gefahr, dieses Assoziationspotential, dessen sich der Künstler sicherlich bewusst war, verschiebt die Ruhe des Bildes ins Beunruhigende.
Wierusz-Kowalskis Wolf ist damit nicht einfach nur Tierbild. Es ist Stimmungsbild, mehr noch, es lädt zum Fantasieren ein, zum Geschichten erzählen im Kopf und ist darin wieder ganz typisch für die akademische Malerei des 19. Jahrhunderts und ihre Liebe zur Narration.
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