Saturday, 12 April 2008
Waldmüller, Die erschöpfte Kraft, 1854
Ferdinand Georg Waldmüller
Die erschöpfte Kraft, 1854
Öl/Lw., 63 x 75,5 cm.
Signatur: bez. rechts unten: "Waldmüller 1854"
Wien, Belvedere.
Bedenkt man, dass die meisten der Waldmüllerschen Gemälde Porträts oder Genrebilder weitestgehend idyllischer Natur sind, sonnenbefleckte Landschaften und glückliche Bauernkinder oder anderes ländliches Volk, erstaunt das Gemälde in seinem untypischen, schockierenden Realismus.
Immerhin liegt die überanstrengte Bäuerin wie tot auf dem Boden vor der Wiege ihres unschuldig schlafenden Kindes. Durch die Lichtführung sieht man sie erst auf den zweiten Blick: schemenhaft beleuchtet durch die Nachttischlampe, die die ganze Szene in gemildertes caravaggieskes Licht taucht. Die Farben sind im Original zwar etwas weniger gelbstichig, aber das Inkarnat der Bäuerin schimmert auch dort in ungesunder, fiebriger Blässe. Ohne den Titel hält man die Frau wohl eher für tot, als für ohnmächtig. Und der Tod ist nichts, was man in einem Waldmüller-Gemälde erwarten würde.
Sicher, um Genre, genauer Bauerngenre, handelt es sich auch in diesem Bild, aber der Realismus, mit der Waldmüller das Schicksal der überarbeiteten Bäuerin und Mutter schildert, ist ungewohnt ernst. Er ent-idyllisiert. Einen solchen Realismus erwartet man eher bei den Franzosen, beim zeitgleichen Millet beispielsweise. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob hier wirklich eine Beeinflussung stattfand.
So stellt sich die Frage, ob dieses Gemälde Waldmüllers für einen bestimmten Auftraggeber entstand, oder eher ein Gemälde war, das dem Künstler selbst am Herzen lag. In der Zeit um 1854 waren gerade Richters Holzstiche des idyllischen Land- und Volkslebens groß im Kurs, und es ist wohl anzunehmen, dass sich wenige Betrachter mit den Schattenseiten der harten Bauernarbeit wirklich befassen wollten. Umso mehr bewegt das Bild, gerade weil es sich gegen die erträumte Bauernidylle sperrt, die allenthalben in Kunst und Literatur heraufbeschworen wurde.
Dennoch ist auch Waldmüllers Gemälde nicht restlos unversöhnlich. Das spotlightartig beleuchtete Kind bildet in seinem friedlichen Schlummer, in seiner motivischen Annäherung an schlafende Christuskinder, den Gegenpol zum erschöpften Schlaf der Mutter und balanciert den Schrecken aus. Auf der einen Seite funktioniert die Lichtführung als Überraschungseffekt: man sieht erst das niedliche Kind, dann die zusammengebrochene Mutter. Die Idylle kippt dabei in Schrecken um. Auf der anderen Seite, im großen Ganzen gesehen, bildet das Kind, als Inbegriff des beginnenden Lebens, aber gleichzeitig zum möglichen (zukünftigen) Tod der Mutter den Gegenpol. Das ist der Lauf des Lebens: ungeschönt, aber nicht unversöhnlich.
Und so macht das Bild vor allem eines: neugierig auf Waldmüller.
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